Ein Gastbeitrag von Stefan Lehnert
Ich habe mich aus rationalen Gründen entschlossen mein Motorrad, eine Kawasaki ZR 7S, zu verkaufen. Motorradfahren bedeutete für mich Freiheit, den Kopf frei bekommen, Zeit für mich, neue Orte entdecken, Fokussierung und Entspannung. Mittlerweile wurde mir das erforderliche Zeitfenster für eine schöne, weitreichende Ausfahrt zu groß und der Straßenverkehr nervt mich einfach nur noch. So ändern sich die Zeiten.
Allerdings musste ein neues „Männerspielzeug“ her. Regelmäßig habe ich meinen Nachbarn Philip beobachtet, wie er sich für seine Ausfahrten mit seinen Fahrrädern bereit machte. Ich habe seine Posts und Blogeinträge über seine Bike- Touren durch die Natur auf zwei Rädern in den sozialen Medien verfolgt und fand das alles sehr interessant und inspirierend. Schließlich bin ich ab und zu mit einem alten MTB in den nah belegenden Wald gefahren und spürte wie sich das Dopamin in meinem Körper ausbreitete und mir ein breites „Grinsen“ ins Gesicht zauberte. Ich fasste den Entschluss, dass ein Gravel-Bike ein durchaus adäquater Ersatz für mein Motorrad und eine tolle Motivation für weitere ausgiebige Waldfahrten sein könnte. Mit einem Gravel-Bike brauche ich weniger Zeit für eine Ausfahrt als mit dem Motorrad, ich bin direkt in der Natur, weg vom Straßenlärm und ich tue auch noch etwas für meine psychische und physische Gesundheit.
Also machte ich mich auf die Suche nach einem für mich passenden Gravel-Bike. Das Ganze ist gar nicht so einfach! Aus welchem Material soll der Rahmen bestehen? Aluminium, Stahl, Carbon oder Titan? Wie sieht es mit Größe und Geometrie aus? Welche technischen Komponenten sind mir wichtig? Wie sieht es mit Reifen und Reifenbreite aus? Wieviel Geld sollte ich investieren? Für all diese Fragen war Philip mein geduldiger, hilfsbereiter und versierter Ansprechpartner. Über meine Entscheidungen, sowie mein gekauftes und optimiertes Bike möchte ich in diesem Gastbeitrag für Phil’s Bicycle Blog schreiben:
„Steel is real!“
Nach reiflicher Überlegung habe ich mich bewusst für einen Rahmen aus Stahl entschieden. Titan ist mir zu teuer. Carbon und Aluminium haben eine schlechte Umwelt- sowie Nachhaltigkeitsbilanz und Gewichtminimierung bis ins letzte Gramm sind mir nicht wichtig. Stahl verspricht ein angenehmes und bequemes Fahrgefühl. Mein Bike ist für mich eine Investition fürs Leben und Stahl ist äußerst langlebig und robust. Stahl ist wiederverwertbar. Für meinen Einsatzzweck und ökologischen Fußabdruck erscheint Stahl die richtige Wahl für mich.
Die Suche ging los!
Derzeit ist die Auswahl aufgrund der vielen Lieferengpässe (Penis im Suezkanal, Containerstau, Corona) eng begrenzt. Die von mir benötigte Rahmengröße um die 60cm oder XL, sowie die Entscheidung für einen 1-fach Antrieb verkleinerten die Auswahl zusätzlich.
Nach langer Recherche und regelmäßigen Rückfragen bei Philip zu gefunden Angeboten habe ich mich in einen Rahmen der Firma Nordest verliebt. NØRDEST Cycles ist ein kleines spanisches Unternehmen abseits vom Mainstream mit Sitz auf den Kanarischen Inseln. Der Nordest Albarda Rahmen ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Es lag wohl hauptsächlich an der außergewöhnlichen himmelblauen Lackierung nebst orangenen Schriftzügen, weil diese der meiner Kawasaki ähnelten. Zudem war die Geometrie speziell und interessant. Philip schickte mir einen interessanten Erfahrungsbericht zu diesem Rahmen auf bikepacking.com und verglich die Geometriedaten des Nordest mit denen seines Rodeo Labs Flaanimal, um die Rahmengröße für meine Statur richtig einordnen zu können. Ich lernte unter anderem was ein „Reach“ und ein „Stack“ ist. Für mich als Leien wurde dieses ganze Unterfangen ziemlich wissenschaftlich, aber mit Philips Hilfe machte die Suche wirklich Spaß. So einfach in den Laden gehen und irgendein Fahrrad kaufen, kann ja jeder.
Kompletträder in meiner Wunschfarbe und Größe waren von Nordest kaum zu finden und der „nackte“ Rahmen in meiner Größe leider auf absehbare Zeit nicht lieferbar. Deutschlandweit standen lediglich zwei Kompletträder in einem kleinen Fahrradladen in Eppstein, diese bin ich natürlich Probe gefahren. Dummerweise hatte das Bike mit meinem passenden Rahmen die Farbe schwarz. Verliebt habe ich mich in die himmelblaue Lady. Täglich suchte ich weiter nach neuen oder gebrauchten Alternativen und träumte jede Nacht von meiner himmelblauen Albarda – die Namensgebung kommt aus dem spanischen und bedeutet so viel wie „Packsattel“. Meine Sehnsucht und Geduld wurden schließlich belohnt. Ich fand Sie auf eBay für schlanke €1.000. Eingeplant für den Spaß hatte ich ein Budget von €2.500. Nach kurzer Rückfrage bei Philip zu den Komponenten und Anbauteilen habe ich sie mit Aufregung und ohne lang zu zögern per eBay Käuferschutz bezahlt und via DHL liefern lassen.
Arriba, arriba!
Ihr Ex hat sie etwas seltsam „geschminkt“. Señorita Albarda wirkte auf mich noch etwas unsexy und wie von einem anderen Planeten. Okay, das Lila und Grün in Kombination mit dem schönen hellblauen Rahmen mit orangenen Akzenten ist sicher Geschmacksache. Meins ist es nicht. Sonst machte Sie einen weitestgehend sehr gepflegten ersten Eindruck.
Schaut selbst:

Irgendwo habe ich gelesen, dass der Fahrradrahmen für manche Zweiradfreunde so etwas wie die Seele des Fahrrads sei. Wer ein gebrauchtes Rad mit einem Stahlrahmen kauft, erhält nicht nur ein Fortbewegungsmittel auf zwei Rädern, sondern eine damit verbundene Vorgeschichte. Egal wie oft ein Bike restauriert oder repariert wurde: Der Rahmen bleibt über Jahrzehnte gleich. Diese Philosophie hat mich in meiner Kaufentscheidung noch einmal bestätigt.
Ich habe meine Albarda in die Arme genommen und sofort in mein Herz geschlossen. Nur so wie sie bei mir ankam wollte ich noch nicht mit ihr ausreiten. Philip machte eine kleine Probefahrt und bemerkte, dass Albarda im Fahr- und Lenkverhalten etwas zickig und unruhig sei. Ein längerer Vorbau könne hier Abhilfe schaffen. Daneben verdiente sie wirklich ein optisches Tuning. Philip erstellte mir eine passende Teileliste mit vielen Hinweisen und Alternativen. Die Bestellung von Teilen im Wert von €423 habe ich natürlich umgehend abgesandt. Philip schätzte die Kosten für die geschmacklichen Austauschteile vor dem Fahrradkauf auf ca. €450 und lag damit ziemlich gut.

Bis auf die neuen Reifen habe ich alle Teile sofort nach deren Ankunft ausgetauscht und eine kleine Fahrt gemacht. Dieser neue Vorbau zauberte mir sofort ein breites Grinsen ins Gesicht. Unglaublich was hier ein paar Zentimeter ausmachen. Es ergab sich ein komplett anderes Fahr-, Lenk- und Sitzgefühl. Es fühlte sich insgesamt alles viel stimmiger an.
Die neuen Reifen wollte ich gerne schlauchlos (Tubeless) fahren. Die Montage mit Felgenband, eingeschraubten Ventilen und der Dichtmilch traute ich mir alleine aber nicht zu. Philip bietet im Rahmen seiner regelmäßigen Spendenaktionen für den World Bicycle Relief vor seiner Garage einen „Pop-Up Bicycle Service“ für jedermann und jederfrau an. Er hat dann für mich spontan einen kleinen und exklusiven „Workshop“ gemacht und mich bei der Umrüstung der Laufräder auf Tubeless angeleitet, um Albarda für unseren ersten gemeinsamen ausgiebigen Ausritt bereit zu machen. Und das sind wir jetzt, frei nach Phil’s Motto:
„Get out an ride together!“



Danke Stefan!
Stefan hat sein Rad und alle seine Teile selbst bei Händlern seiner Wahl gekauft. Meine Beratung war kostenlos. Ich freue mich einfach über das schöne Ergebnis und einen neuen Mitfahrer!